Bevor wir uns am Abend auf die Weiterreise machen, wollen wir noch einige „Spezialitäten“ von Mumbai besichtigen. Dazu zählen die Dabbawallas, die größte Open-Air-Wäscherei der Welt und der Crawford Market mit dem angrenzenden Bazaar-Viertel.
Wir packen unsere Rucksäcke und verstauen sie bis zum Abend im Gepäckraum bei der Rezeption des Hotels. Ein letztes Frühstück bei Theobroma – diesmal gibt es Kijriwal, Brötchen mit Käse-Chilipaste und Spiegelei – und dann fahren wir mit dem Taxi zum Bahnhof Churchgate. Hier (und an anderen Bahnhöfen in der Stadt) treffen sich gegen 11.30 Uhr die Dabbawallas. Das sind Boten, die morgens in den Vororten das von den Hausfrauen frisch gekochte Essen einsammeln und dann zur Mittagszeit das in Dosen oder Taschen verpackte Essen den Männern im Büro zustellen. Alle der rund 5000 Dabbawallas stammen aus einem Dorf südlich von Mumbai und die meisten können weder lesen noch schreiben.
Deshalb verwenden die Dabbawallas einen Code aus Farben, Zahlen und einzelnen Buchstaben, um sicherzustellen, dass das richtige Essen beim richtigen Empfänger ankommt. Erstaunlicherweise klappt das auch bei mehr als 99 Prozent der Lieferungen. Auf dem Gehweg vor dem Bahnhof Churchgate beobachten wir, wie die Dabbawallas mit ihren langen Tragegestellen voller Taschen und Blechdosen ankommen, diese unter lautem Rufen ausladen, entsprechend den Codes neu verteilen und dann auf Handkarren verladen, um sie dann in die innerstädtischen Stadtteile und umliegenden Bürohochhäuser zu bringen. Ein lebendiges Schauspiel, das sich an jedem Werktag in gleicher Weise wiederholt.
Als nächstes fahren wir mit dem Vorortzug vier Stationen bis zum Bahnhof Mahalakshmi. Wohlweislich fahren wir außerhalb der Rush-Hour, den dann sind die Züge so übervoll, dass man sich nur mit Mühe hineinquetschen kann. Jetzt, um die Mittagszeit, ist die kurze Fahrt (umgerechnet 30 Cent pro Person) mit dem Zug sehr entspannt. Bei offenen Türen geht es durch die Innenstadtbezirke rund 7 km nördlich.
Hier direkt neben der Bahnstrecke erstreckt sich das Viertel Dhobi Ghat, die größte Open-Air-Wäscherei der Welt. Alle Hotels, öffentlichen Einrichtungen und viele Einwohner Mumbais lassen ihre Wäsche in einer der zahlreichen Wäschereien der Stadt waschen, von denen Dhobi Ghat die größte ist. 5000 Menschen leben hier mit und von der schmutzigen Wäsche anderer Leute. In großen Wasserbecken wird hier die Wäsche von Hand gewaschen und anschießend auf endlosen Wäscheleinen zum Trocknen aufgehängt. Zum Aufhängen verwenden die Wäscher eine besondere Technik ohne Wäscheklammern: Die Wäscheleinen bestehen aus zwei, ineinander verdrehten Seilen, in die die Wäschestücke einfach hineingeklemmt werden.
Ein Taxi bringt uns von den Wäschern zum Crawford Market, eine der ältesten und schönsten Markthallen der Stadt, wo es hauptsächlich Stoffe, Kleider und Schmuck gibt. Von hier aus lassen wir uns durch die Gassen des angrenzenden Bazaar-Viertels treiben, essen an einem Stand Farshan, eine Spezialität aus dem Bundesstaat Gujrat (eine Art Chips mit leckerem Papaya-Gurken-Chutney) und saugen die vielfältigen Eindrücke, Geräusche und Gerüche förmlich in uns auf. In den engen Gassen und Sträßchen ist es unglaublich laut, bunt und lebendig, es ruft und hupt an jeder Ecke – ein Fest für alle Sinne.
Unser Weg führt uns noch ins Kotachiwadi, einem ursprünglichen kleinen „Dorf“, das heute mitten in der Stadt liegt, mit winzigen Gassen, zu schmal für Autos, und deshalb ungewöhnlich ruhig. Seit Jahrhunderten wird dieses kleine Viertel mit seinen rund 100 Häusern von Christen bewohnt.
Als wir später mit unseren Rucksäcken vom Hotel aufbrechen wollen, beginnt es heftig zu regnen – ein ungewöhnliches Ereignis im Winter. Normalerweise gibt es hier von Oktober bis März praktisch keinen Regen. Aber auch hier ist der Klimawandel zu spüren. Es dauert eine Weile und wir sind schon ziemlich nass, bis wir ein Taxi finden, das uns zum Crawford Market bringt. Von hier aus bringt uns zunächst ein Minibus in einen Vorort, wo wir dann in den Sleeper-Bus umsteigen. Sleeper-Busse dürfen in Indien erst seit kurzem legal betrieben werden und haben sich doch schon als beliebtes Transportmittel für lange Strecken und als Alternative zur langsamen Eisenbahn etabliert. Die Busse sind innen statt mit Sitzen mit Bettkabinen ausgestattet. Die Betten sind in Längsrichtung angeordnet, Stockbetten mit jeweils zwei links und einem rechts vom Mittelgang. Unser Bus ist vom Busunternehmen VRL Logistics, einem der größeren Betreiber in Karnataka. Die Betten sind recht bequem, mit einem Bildschirm und – wichtig – mit einer Steckdose zum Laden von Handys ausgestattet. Der gesamte Fahrgastraum ist klimatisiert. Die Fahrt dauert insgesamt rund 11 Stunden mit einigen halbstündigen Pausen unterwegs. Es ist zwar unruhig, aber wir finden dennoch ein paar Stunden Schlaf.