Die Tempelruinen von Angkor sind unser heutiges Ziel. Das gesamte Areal von Angkor erstreckt sich über mehrere hundert Quadratkilometer und umfasst unzählige große und kleine Tempel, Paläste und sogar ganze Städte. Angkor war eine Hochkultur, deren Blütezeit im 12. Jahrhundert lag. Unter Generationen von Königen hatten die Angkor im heutigen Nordwesten Kambodschas ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem entwickelt, das zu reichen Ernten und in der Folge zu einem großen Bevölkerungswachstum führte. Im 9. Jahrhundert entstanden die ersten Bauwerke aus Sandstein, die größten und beeindruckendsten Bauten stammen aber aus dem 12. Jahrhundert.
Wir haben uns für heute die bekanntesten Tempel „Angkor Wat“ und „Angkor Thom“ vorgenommen, die rund 8 km außerhalb von Siem Reap liegen. Zunächst müssen wir uns ein Eintrittsticket kaufen, das in allen Sehenswürdigkeiten des weitläufigen Angkor-Gebiet gilt. Das Ticket gibt es nur an der offiziellen Verkaufsstelle etwas außerhalb der Stadt und kostet für 3 Tage 62 Dollar pro Person. Nicht grade ein Schnäppchen, aber ohne geht es nicht – und schließlich kommen die Erlöse wenigstens zum Teil auch der Restaurierung und Instandhaltung des unvergleichlichen Kulturerbes zugute.
Jetzt sind wir froh um unsere Fahrräder, denn so kommen wir rasch und ohne um den Preis für ein Tuk-Tuk feilschen zu müssen zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten. Leider ist es mit über 30 Grad heißer als in dieser Jahreszeit üblich und so kommen wir schnell ins Schwitzen. Überraschend finden wir ab dem Eingang zum Hauptareal der Tempel einen Radweg vor, der an der Straße entlang führt.
Unser erster Besuch gilt dem Angkor Wat, einem Tempel, der als einer der ersten von westliche Archäologen Anfang der 1920er Jahre entdeckt und restauriert wurde. Die Tempelanlage war bis dahin nicht gänzlich im Dschungel versunken, sondern über die Jahrhunderte fast immer bewohnt, meist von buddhistischen Mönchen, die versucht haben, die ursprünglichen Gebäude als Tempel zu erhalten. Wie viele der anderen Tempel ist Angkor Wat ein mehrstöckiger Tempelberg, der das Abbild des Universums darstellt, wie es die hinduistische Mythologe beschreibt. Viele der Tempel sind dem Hindu-Gott Shiva oder Vishnu geweiht, wurden aber nach dem Verfall des Angkor-Reiches Ende des 13. Jahrhunderts von Buddhisten als Tempel benutzt.
Über die Jahrhunderte wurden die gewaltigen Tempelanlagen und Städte von Angkor immer wieder eingenommen und zerstört, mangelnde Fundamente sorgten darüber hinaus für einen raschen Verfall der Bauwerke. Erst als Ende des 19. , Anfang des 20. Jahrhunderts die ersten Europäer die Ruinen von Angkor mehr oder weniger zufällig im Dschungel entdeckten, begann die systematische Erforschung und Restaurierung der Tempel und anderer Gebäude.
Der unermüdlichen Arbeit von Archäologen und zahlreicher mit ausländischen Geldern finanzierter Restaurationsprojekte ist es zu verdanken, dass heute viele der großen Bauwerke wie Angkor Wat wieder so weit in den ursprünglichen Zustand versetzt wurden, dass man nicht nur ihre beeindruckende Größe, sondern auch die einstige Pracht der Steinmetzarbeiten nachvollziehen und bewundern kann, ohne Gefahr zu laufen, von herunterfallenden Ruinenstücken erschlagen zu werden.
Die Flachreliefs in den überdachten Galerien entlang der Außenmauern von Angkor Wat, die Geschichten aus der hinduistischen Mythologie bebildern, sind ebenso beeindruckend wie die fünf zentralen Türme deren mittlerer wohl als Grabstätte für seinen Erbauer, König Suryavarman II. diente. Jeder Schritt eröffnet neue Blickwinkel auf Galerien, Türme, Fabelwesen oder auf den großen Vorplatz mit seinem langen, von Palmen und kleineren Gebäuden flankierten Zugangssteg und den kleinen Teichen. Rund um den riesigen Tempelbereich, der häufig als das größte sakrale Bauwerk der Welt bezeichnet wird, erstreckt sich ein
rund 50 Meter breiter Wassergraben.
Bei über 30 Grad Hitze ist das Herumklettern in den Ruinen mit den vielen hundert Treppen doch sehr schweißtreibend. Nach einer gemütlichen Mittagspause in einer der kleinen Garküchen – wir mussten erstmal den Preis für eine Schüssel Nudelsuppe von völlig überteuerten 5$ auf immer noch zu teure 2$ herunterhandeln – geht es am Nachmittag weiter zum nächsten Tempel: dem Bayon von Angkor Thom.
Angkor Thom war eine Stadt, die ursprünglich wohl von mehreren Millionen Menschen bewohnt wurde. Eine mehrere Kilometer lange Mauer mit fünf Stadttoren umschloss die genau quadratisch angelegte Stadt. In der Mitte der Stadt steht der Bayon, ein gewaltiger, ursprünglich hinduistischer Tempel, den Jayavarman VII., der letzte große König von Angkor, zu einem buddhistischen Heiligtum umbauen ließ. Hier findet man verschachtelte Galerien, filigrane Flachreliefs und ein Chaos an verwinkelten, dunklen Räumen mit Buddhareliquien.
Am beeindruckendsten sind aber die rund 200 gewaltigen Gesichter, die den Besucher immer anzusehen scheinen, egal wo man grade steht. Auf den drei Ebenen des Tempels gibt es insgesamt 54 Türme, jeder mit 4 übergroßen Gesichtern verziert, die nach den vier Himmelsrichtungen ausgerichtet sind.
Eigentlich ein Ort, um länger zu verweilen und den eigentümlichen, mystischen Charme dieses Bauwerks auf sich wirken zu lassen. Doch gleichzeitig mit uns fallen busladungsweise chinesische Reisegruppen in den Tempel ein, die unglaublich laut, wenig an den Bauwerken, sondern mehr an „Selfies“ hier und „Selfies“ da interessiert sind und uns so doch ein wenig die Stimmung verderben.
So schwingen wir uns wieder aufs Rad und kommen gerade noch rechtzeitig vor Einbruch der Dunkelheit wieder im Hotel an. Ein ausgiebiges Abendessen im „The Christa“, einem kleinen Restaurant mit wirklich ausgezeichneter, regionaler Küche, entschädigt uns dann wieder für den Frust mit den chinesischen Reisegruppen.