Wieder früh aufstehen, denn heute geht es auf eine Kajaktour auf den Mekong. Lucky, unser einheimischem Führer, ist in einer Fischer-Familie groß geworden ist und kennt den Fluss wie seine Westentasche. Unsere Tour, die rund 20 km flussaufwärts beginnt, soll uns zum „Flooded Forest“, dem überschwemmten Wald, und zu den tieferen Stellen im Fluss führen, wo die letzten Irrawaddy-Delfine leben.

Mit dem Tuk-Tuk geht es zunächst immer am Fluss entlang gen Norden. Unterwegs gabeln wir Luckys Vater auf, der das Tuk-Tuk zurück zum Zielpunkt bringen wird. An der Einstiegsstelle liegen zwei offene Kajaks bereit, ein Einsitzer für den Führer und ein Zweisitzer für uns. Es sind unsinkbare „Aufsitz“-Kajaks, also welche, die aus einem Kunststoff-Schwimmkörper bestehen, in den niedrige Sitzkulen eingelassen sind. Diese Art Kajak eignet sich auch bei sehr flachem Wasser und ist sehr einfach zu fahren. Wir bekommen noch Schwimmwesten und Paddel, packen die Wertsachen in einen wasserdichten Sack, und los geht’s.

Unser KajakFührer Lucky (rechts).

Wir müssen zunächst den Mekong komplett überqueren, um in die Nähe des Westufers zu kommen. Wir hatten es uns viel schwieriger vorgestellt. Erstaunlich leicht kommen wir voran und die Strömung ist nirgends so stark, dass es irgendwie gefährlich sein könnte. Auf der Westseite paddeln wir durch zahlreiche, mit meterhohem Schilf, Gras und Büschen bewachsenen Sandbänken hindurch. Kaum vorstellbar, dass diese „Inseln“ bis vor zwei Monaten noch komplett unter Wasser waren. In der Regenzeit von Juli bis Oktober steigt der Wasserpegel des Mekong um bis zu zehn Meter an und setzt nicht nur das eigentliche Flussbett, sondern das gesamte Umland unter Wasser. Diese jährlichen Überschwemmungen sind wichtig für die Landwirtschaft. Nicht nur, weil so die Felder ausreichend bewässert werden, der Fluss führt auch jede Menge Mineralien und organische Stoffe mit, die den Boden im Schwemmland kräftig düngen.

Sticky rice sticks schon geschält. Die Bambusstücke werden mit Kokosreis und Soja gefüllt.

Auf einer kleinen Sandbank machen wir eine kurze Pause und Lucky, der gut englisch spricht, erzählt uns ein paar Legenden über die hier lebenden Flussdelphine, aber auch ein paar Dinge über das Leben am Fluss und wie er dazu kam Kajak-Guide zu werden. Er hat uns Bambusstangen mit Sticky-Rice mitgebracht. Das sind geschälte Bambusstangen, in die eine Masse aus Reis, Kokosraspel, Sojabohnen, Salz und Zucker eingefüllt und dann über Hitze gegart wird. Die Bambushülle lässt sich wie eine Banane abschälen und heraus kommt der Kokosreis – ein sehr leckerer Snack für zwischendurch.

Wenig später paddeln wir durch den Flooded Forest. Die Bäume stehen hier mitten im Fluss und die riesigen verzweigten Wurzeln versuchen im Sand Fuß zu fassen. Wir brauchen kaum zu paddeln, und genießen den Anblick der skurrilen Gewächse, während wir uns von der Strömung durch dieses bizarre Naturphänomen hindurch treiben lassen. In der Regenzeit ist es zu gefährlich, hier lang zu fahren, denn dann stehen die Bäume bis in die Kronen unter Wasser.

Nur ein paar Kilometer flussabwärts weist Lucky mit dem Arm voraus. Er hat die ersten Delphine gesichtet. Die Irrawaddy-Delphine sind Flussdelphine, die vom Aussterben bedroht und daher geschützt sind. Derzeit leben in ganz Kambodscha noch ungefähr 90 Exemplare, davon knapp 30 hier in Kampi, nördlich von Kratie. Anders als die Meeresdelphine haben die Irrawaddy-Delphine einen runden Kopf. Sie leben von Fischen, Krebsen und anderem Kleingetier, das Sie hier in den tieferen Stellen des Mekong finden. Die Fischerei, vor allem aber die Staudammprojekte der Chinesen am Oberlauf des Mekong und in Laos, gefährden den Lebensraum der Delphine und damit das Überleben dieser Rasse.

Wir legen mit unseren Kajaks an einer Sandbank an und beobachten die Delphine. Es ist eine ganze Gruppe mit 5 bis 6 Tieren, darunter auch Jungtiere, die sich hier tummeln. Da es sich bei Delphinen um Säugetiere handelt, können sie nicht unter Wasser atmen, sondern müssen zum Luftholen kurz an die Oberfläche kommen. Das sind die Momente, wenn wir sie aus dem Wasser kommen sehen. Wie wir erfahren, besitzen die Delphine zwei Gehirnhälften, von denen eine immer wach ist und die andere schläft. Dadurch gelingt es ihnen, auch „im Schlaf“ zum Atmen an die Oberfläche zu kommen. Lucky erzählt uns, dass die Delphine nur selten richtig aus dem Wasser springen: wenn sie um einen Partner werben und wenn ein Junges geboren wurde, um es zu schützen. Doch auch, wenn wir keinen Delphin springen sehen, ist es ergreifend, zu sehen, wie elegant diese bis zu zwei Meter langen Geschöpfe durchs Wasser gleiten.

Noch einmal queren wir den Mekong in seiner ganzen Breite, sehen unterwegs noch mehr Delphine und legen dann an der offiziellen „Delphinsichtungsstelle“ an. Hier muss unser Führer eine Besichtigungsgebühr für uns entrichten. Ob dieser Obulus, den alle Besucher zu zahlen haben, dem Schutz der Tiere zugutekommt oder einfach nur eine willkommene Einkommensquelle für die Dorfgemeinschaft ist, können wir nicht in Erfahrung bringen.

Zurück in Kratie, gehen wir nochmal kurz ins Hotel zum Duschen und besteigen dann einen Minivan, der uns nach Stung Treng, einer Stadt 150 km nördlich, bringen soll. Der Kleinbus ist gestopft voll mit Menschen und Gepäck. Für die Fahrräder müssen wir Aufpreis bezahlen, weil wir sie im Innern unterbringen wollen. Denn die Alternative erscheint uns wenig vertrauenerweckend: Sie werden, wie alle Fahrräder und sogar Motorräder mit Seilen einfach hinten an die Kofferraumklappe gebunden. Die Straße nach Stung Treng wurde erst vor einem Jahr von chinesischen Investoren komplett neu geteert, und da wenig Verkehr herrscht, geht es erstaunlich flott voran. Chinesische Großinvestoren sind es auch die in dieser ansonsten eher armen Gegend von Kambodscha tausende Hektar Land von der kambodschanischen Regierung gekauft, den Urwald gerodet und Plantagen für Cashew-Nüsse, Kautschuk und andere Naturprodukte, die auf dem Weltmarkt hohe Preise erzielen, angelegt haben. Die örtliche Bevölkerung hat wenig von diesem neuen Wirtschaftszweig. Zwar können sich einige ehemalige Bauern als Tagelöhner auf den Plantagen verdingen, doch den Großteil der Arbeit erledigen Neuankömmlinge, die von der Regierung in Phnom Penh aus anderen Regionen hierher umgesiedelt wurden und die auf den Plantagen in eigens errichteten einfachen Häusern leben.

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