Sonntag, 15. Dezember 2019

Mandalay – Hsipaw

Weil wir uns für heute eine Fahrstrecke von 210 Kilometern Länge vorgenommen haben, stehen wir früh auf, so dass wir mit Sack und Pack um acht Uhr abfahrbereit sind. Nun klingt 210 Kilometer nicht nach so furchtbar viel, aber wir befinden uns ja in Myanmar. Wir müssen uns auf viel Verkehr mit langsamen Lkw und auf schlechte Straßen einstellen. Google errechnet für die geplante Strecke sieben Stunden Fahrzeit – wir werden sehen.

An den Verkehr in Mandalay haben wir uns schnell gewöhnt. Außer dem Beachten roter Ampeln scheint es keine Regeln zu geben. Wer über eine ampellose Kreuzung will, fährt langsam drauf zu und schlängelt sich dann irgendwie zwischen den kreuzenden Fahrzeugen durch. Auch beim Linksabbiegen geht es mit mehr oder weniger Rücksicht durch den Gegenverkehr, während Rechtsabbieger grundsätzlich in die Straße einfahren, ohne links und rechts zu schauen. Die Verkehrsteilnehmer auf der anderen Straße werden schon Platz machen. Ansonsten fährt jeder, wo es grade Platz gibt, gerne auch mal auf der Gegenfahrbahn entgegen der Fahrtrichtung. Dabei wirkt das Ganze überhaupt nicht aggressiv, sondern eher entspannt und rücksichtsvoll.

Vom National Highway sind wir zunächst positiv überrascht. Die ersten 120 Kilometer sind meist vierspurig ausgebaut, so dass wir zügig vorankommen. Allerdings fahren die Lkw mit maximal 50 Sachen meist auf der linken Spur und rechts sind viele Mopeds, Traktoren und andere langsamere Gefährte unterwegs. Schneller als 70 km/h trauen wir uns nicht zu fahren und sind damit – bis auf ein paar wenige wenige Pkw – die Schnellsten. 25 Kilometer Richtung Westen geht es steil bergauf, die gut ausgebaute Straße windet sich in engen Kurven bergauf, und wir haben richtig Spaß am Motorradfahren. Allerdings ist der Belag teilweise sehr glatt und wir müssen aufpassen, dass wir in den Kurven nicht wegrutschen.

Nach gut 130 Kilometer wird die Straße schmaler, schlechter und sie durchquert eine tiefe Schlucht. In zahllosen Serpentinen geht es hier hinunter und auf der anderen Seite wieder hoch. Die Kurven sind teilweise so eng, dass immer nur ein Lastwagen sie durchfahren kann, so dass der Gegenverkehr warten muss. Mit den Motorrädern können wir uns allerdings zwischendurch schlängeln.

Wenige Kilometer weiter flußaufwärts überquert auch die Eisenbahnstrecke die Schlucht. Die Briten ließen die Brücke 1899 von einer amerikanischen Baufirma mit aus Amerika importierten Stahlträgern errichten. Zur Zeit der Fertigstellung 1900 war der Gokteik-Viadukt mit einer Brückenlänge von 689 Metern und 250 Meter Höhe über Flußniveau die größte Eisenbahn-Blockbrücke der der Welt. Auch heute noch ist es die höchste Eisenbahnbrücke Myanmars. Heute fahren täglich zwei Züge über diese Brücke, einer Richtung Osten bis Lashio, nahe der chinesischen Grenze, und einer in die Gegenrichtung. Die Durchschnittsgeschwindigkeit des Zuges, so lassen wir uns später von anderen Reisenden erzählen, beträgt etwa 20 km/h und der schlechte Schienenzustand macht die Fahrt wohl zu einem eher unkomfortablen Abenteuer.

Von der Straße aus ist das Viadukt nur zu erahnen, aber der Motorradvermieter hat uns den Tipp gegeben, dass es in einer der Kehren auf der anderen Seite der Schlucht einen kleinen Weg gibt, der – wenn man ihm weit genug folgt – zu einem Platz führt, von dem man das Viadukt sehen kann. Wir finden tatsächlich in einer der Serpentinen einen Feldweg, der Richtung Viadukt führt. Es geht auf holprigem Untergrund gut einen Kilometer bis wir bei ein paar Häusern ankommen. Hier öffnet sich der Dschungel, so dass wir von Ferne einen Blick auf das Viadukt mit seinen markanten Stahlstreben werfen können.

Wie sich herausstellt, führen auch Gleise bis zu eben diesen Häusern und eines der Gebäude scheint eine Art Bahnhof zu sein. Aus Angst, die Brücke als strategisch wichtige Verbindung Richtung Osten könnte Opfer der ethnischen Unruhen in dieser Gegend werden, ließ die Militär-Regierung Mitte der 1970er Jahre eine zusätzliche Bahnstrecke bauen, die in zahlreichen Serpentinen und Kurven ganz in die Schlucht hinab und wieder hinauf führt. Die Brücke wurde jedoch nie zerstört, die zusätzliche Bahnstrecke nie genutzt, außer, um mit kleinen Dieselbahnen die im Dschungel verstreuten Dörfer an die Zivilisation anzuschließen. Und just in dem Moment, als wir gerade wieder weiterfahren wollen, taucht eine der kleinen Dieselloks – Triebwagen und Waggon in einem – aus dem Dschungel auf und hält an dem kleinen „Bahnhof“ an. Zwei Schüler steigen aus und laufen dann die Gleise entlang weiter, während die kleine Bahn den Rückweg Richtung Tal antritt und schon nach wenigen Metern im dichten Dschungel verschwindet.

Blick von der Dachterrasse unseres Hotels

Für uns geht es weiter, schließlich haben wir noch ein paar Stunden Fahrt vor uns. Die Straße bleibt nun zweispurig und es ist anstrengend, ständig langsam fahrende Lkw überholen zu müssen, zumal auch reichlich Gegenverkehr herrscht. Gegen 16:00 Uhr erreichen wir Hsipaw (sprich Sipoh mit offenem O wie bei Orgel und Betonung auf dem O). Wir quartieren uns erstmal in einem Hotel mit Blick auf den Fluss ein und machen dann noch einen Bummel durch den Ort, um uns zu orientieren.

 

Das Städtchen Hsipaw liegt auf rund 450 Meter Höhe, eingebettet in den Bergen, und war einst Sitz der Fürsten von Hsipaw. Heute ist Hsipaw Ausgangspunkt für Ausflüge und Treckingtouren zu den Dörfern der Palaung und der Shan, zweier Volksgruppen, die in den Bergen ringsum leben. Doch dazu morgen mehr.

 

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