Donnerstag, 26. Dezember 2019
Bagan – Thandwe
Auf unseren Streifzügen durch die weitläufige Tempellandschaft rund um Bagan kommen wir mit unserem Elektro-Roller über eine staubige Piste in das kleine Dorf Minnanthu. Eine junge Dorfbewohnerin spricht uns gleich am Dorfeingang auf English an und bietet sich als Führerin durch das Dorf an. Das verspricht etwas Abwechslung und so lassen wir uns von der jungen Frau durch die Höfe und Gässchen ihres Dorfs führen. Wie sie uns erklärt, geht sie eigentlich in der Stadt aufs Gymnasium, aber in den Ferien nutzt sie ihre Englischkenntnisse, um als Führerin etwas Geld zu verdienen.
Die Menschen hier leben hauptsächlich von der Landwirtschaft, von der Weberei und – sofern sie Englisch sprechen – vom Tourismus. Die strohgedeckten Hütten sind sehr einfach und aus dem gebaut, was die Natur hergibt. Nur vereinzelt sehen wir ein Haus aus Backstein mit Ziegel- oder Wellblechdach. Strom – so lernen wir, gibt es hier erst seit knapp zwei Jahren. Und so leben die Menschen in Minnanthu, nur wenige Kilometer vom Touristenzentrum Nyaung U entfernt, wie vor hundert Jahren als Großfamilie unter einem Dach. Babies schaukeln in selbst geflochtenen Körben im Schatten und ihre Großmütter rauchen Maisblatt-Zigarren, wobei sie immer eine Kokosschale als Aschenbecher unter die Zigarre halten, um nicht versehentlich das trockene Stroh an Dach und Wänden der Hütte in Brand zu setzen.
Auf dem Weg zurück ins Hotel besuchen wir noch einige weitere Tempel mit Wandmalereien, verwunschenen Winkeln zwischen den Mauern und gewaltigen Wandelhallen rings um das Innerste.
Weil derzeit wenig los ist, dürfen wir unser Hotelzimmer ohne Aufpreis noch bis zum Nachmittag nutzen und mit einer letzten Dusche den Staub unsere Tagestour abwaschen, bevor uns gegen 16 Uhr ein Minibus am Hotel abholen soll, um uns zum Nachtbus zu bringen, mit dem wir von Bagan an die rund 300 Kilometer entfernte Küste reisen wollen. Der „Minibus“ entpuppt sich als kleiner Pickup, dessen Ladefläche wir uns mit drei Holländerinnen, einem Ungarn und sechs Rucksäcken teilen. 15 Minuten lang geht es über holprige Dorfstraßen, bis uns der Pickup irgendwo entlang der Hauptstraße absetzt. Es dauert ein Weile, aber schließlich taucht dann doch ein Reisebus auf, den der Pickup-Fahrer heranwinkt um uns einsteigen zu lassen.
Der Bus ist bei Weitem nicht so komfortabel wie der erste Langstreckenbus, mit dem wir von Yangon nach Mandalay gereist sind. Aber es gibt Decken an Bord und für jeden eine Flasche Trinkwasser. Die folgenden 16 Stunden werden uns noch lange in Erinnerung bleiben. Nicht nur, dass es nach einiger Zeit des Sitzens wirklich unbequem wird und wir nicht mehr wissen, wie hinsitzen. Dazu kommt, dass wir nach Einbruch der Dunkelheit das Gebirge erreichen, das sich zwischen der Ebene entlang des großen Flusses Ayeyawaddy und der Küste erhebt. Durch dieses von dichtem Dschungel bewachsene Gebirge gibt es nur wenige und dazu noch sehr schmale Straßen, die sich in endlosen Kurven über die Berge schlängeln und sich in erbärmlichem Zustand befinden. Die Schlaglöcher sind groß genug, um ein Auto darin zu versenken, und so holpert und schlingert der Bus mit einer Durchschnittgeschwindigkeit von 20 km/h mühsam durch die Berge. Die gesamte Gegend ist nur sehr dünn besiedelt und so gibt es auch keine Restaurants oder sonstige Raststationen entlang der Route. Die Pinkelpause findet daher auf freier Strecke statt, wer zur Toilette muss, schlägt sich ein paar Meter abseits des Busses in die Büsche, dann geht es weiter.
Mitten in der Nacht hält der Bus plötzlich an. „Passport, Passport“ ruft der Beifahrer, während er durch die Reihen eilt, um die Pässe einzusammeln. Englisch spricht von der Besatzung niemand und so müssen wir uns zusammenreimen, was los ist. Durch die beschlagenen Scheiben lässt sich im Dunkeln schemenhaft die Schranke und das provisorische Häuschen eines Militärstützpunkts erkennen. Offenbar führt die Straße ab hier durch eines jener Gebiete Myanmars, in denen die Unabhängigkeitskämpfer einer ethnischen Minderheit die Gegend unsicher machen. Jeder der hinein oder hinaus will, wird registriert und kontrolliert. So ganz wohl fühlen wir uns nicht, aber ein paar Stunden und endlos viele Schlaglöcher und Kurven später kommt im Morgendunst ein weiterer Militärposten in Sicht und wir erhalten unsere Pässe wieder zurück.
